Fachberater

Oft sind es die Zufälle des Lebens, die von der Nähe zu einem Genre zu einem Job oder einer Tätigkeit führen. Wenn wichtige Familienmitglieder Filmschaffende sind und sich vorwiegend mit historischen Produktionen befassen, sieht man ein Filmset öfters, als man einen Fernseher einschaltet. Die Vertrautheit mit dem Genre, den Abläufen, der Förderlandschaft und Hingabe für das Hineinfinden in Stoffe und Stimmungen schaffen eine neue Wahrnehmung von Film und Filmschaffenden. So kommt eines zum anderen, aus der einfachen Fragen eines Uniformdetails wird eine historische Fachberatung, ein Einspringen bei zu wenig Komparsen führt zu kleineren und größeren Filmrollen.

Historische Fachberatung

Weshalb Historiker nicht immer gute historische Fachberater sind.

Historiker wissen genau, wie etwas zu einer bestimmten Zeit war. Wie viele Begleiter ein General hatte, welche Autotypen ein Divisionskommandeur an der Ostfront in der Regel fuhr und mit welchen Tarnfarben diese überlackiert waren. Sie wissen, wie der General grüßte und wie welche Fernsprechanlage bedient wurde, mittels derer dessen Befehle übermittelt wurden.

Ein Film hat ein Budget – und das ist, in Deutschland/Europa zumindest, eigentlich immer zu knapp. Viele eigentlich richtige Details würden dem Zuschauer kaum auffallen, kosten aber unverhältnismäßig viel Geld. Andere kostspielige Dinge sind für die Story oft nicht wirklich wichtig. Deshalb sind beispielsweise in den meisten Filmen aus dem Zweiten Weltkrieg die zur Wehrmacht eingezogenen Pkw nicht in Tarnfarben überlackiert. Die meisten Oldtimerbesitzer würden sich bedanken, wenn ihr Fahrzeug überlackiert wird und anschließend die Farbe abgeschliffen und alles so lackiert wird, wie es vorher war.

Ähnlich ist es beim Kostümbild. Früher waren die Menschen kleiner und zierlicher als heute. Darum passen die meisten Schauspieler und Komparsen nicht mehr in originale Kleidung oder Uniformen; auch gab es beispielsweise in den 1930er Jahren nur extrem wenige Frauen mit Schuhgröße 40 oder mehr – unter heutigen Schauspielern aber keine ungewöhnliche Größe. Jedoch kann allein Anfertigung einer Uniform einige tausend Euro kosten. Wenn der historische Fachberater darauf besteht, dass General XY aber stets eine Ordonnanz bei sich hatte, können Drehbuch, Regie und Kostüm dem Wunsch budgetsparend entsprechen und diesen Darsteller einfach stets von vorn zeigen – und hinten ist die Rückennaht der historischen Uniform aufgetrennt und wird vor Rückgabe wieder zugenäht. Ein anderes Beispiel sind Spezialeffekte. Eine Explosion, beispielsweise in einer spätmittelalterlichen Festung, deren Bergfried einstürzt oder eines Schiffs der Royal Navy, dessen Mast abreißt, können auf der Leinwand sehr eindrucksvoll wirken. Sonne, Regen, Schnee – alles ist beim Film möglich. Jedoch sind die Kosten für gute Effekte für einen historischen Fachberater oft nicht kalkulierbar.

Kurzum: Historiker wissen genau, wie etwas war, aber zumeist nicht, was jedes Detail in der filmischen Umsetzung kostet und ob es überhaupt umgesetzt werden kann.
Historische Fachberatung dient in der Regel den folgenden Departments: Drehbuch, Regie, Kostüm und Ausstattung. Das Wissen um historische Genauigkeit, die Kosten der Umsetzung und die Kunst des Kompromisses sind Kern dieser Aufgabe.

Julien Reitzenstein vor und hinter der Kamera (Auszug):

  • Invasion (Pallas Film) 2011
  • Circles (Neue Mediopolis) 2011
  • Friends from France (Vandertastic Films) 2011
  • Die Quellen des Lebens (X-Filme) 2011
  • SOKO Leipzig (Ufa Fernsehproduktions GmbH) 2012
  • Tatort Leipzig (Saxonia Media Filmproduktions GmbH) 2012
  • Das kleine Gespenst (Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion) 2012
  • Lotta und die frohe Zukunft (Novafilm Fernsehproduktion) 2012
  • Wir waren Könige (Walker+Worm Film) 2012
  • Ein Fall von Liebe (Cinecentrum) 2012
  • Als wir träumten (Rommel Film) 2013
  • Tatort Leipzig (Saxonia Media Filmproduktions GmbH) 2013
  • Das Leben des Giacomo Casanova (ZDF /Atlantis Film) 2013
  • Die Wolken von Sils Maria (Pallas Film) 2013
  • Rockabilly Requiem (Neue Mira Filmproduktion) 2013
  • SOKO Leipzig (Ufa Fernsehproduktions GmbH) 2014
  • Die Abenteuer des Fürsten Pückler (ZDF /Atlantis Film) 2014
  • 24 Wochen (Zero One Film) 2015
  • Irgendwer (In One Media / Little Doors Films GmbH) 2017
  • Ahnenerbe, les terribles savants d’Hitler (RMC Découverte) 2017